Focus: Strahlung - individuelles Krebsrisiko

Martin Müller und Michael Simm informieren in ihrem Artikel "Individuelles Krebsrisiko" der Zeitschrift Focus (Ausgabe 17/1996) über individuelle Empfindlichkeit gegenüber ionisierenden Strahlen und einem neuen Strahlentest zur individuellen Strahlendosierung bei Krebspatienten. Schon lange habe man sich gefragt, warum einige hochkontaminierte Tschnernobyl-Opfer überlebt hätten. Die sogenannten Liquidatoren, das Aufräumkomando im Tschernobyl seien extrem hohen Strahlungsdosen und unzureichende Schutzmaßnahmen hätten "die Putzkolonne zum Selbstmordkommando" gemacht.

Dennoch: das Schicksal der Liquidatoren sei ein Beweis dafür, daß Menschen sich in ihrer Strahlenemfindlichkeit stark voneinander unterscheiden. Jetzt suche man nach einfachen Methoden, umd diese Unterschiede messen zu können. Fernziel sei, besonders gefährdete Personen möglichst frühzeitig zu erkennen. Vor allem bei den rund 180.000 "beruflich strahlenexponierten" Menschen und die rund 50 Prozent aller Krebspatienten, die im Rahmen ihrer Behandlung bestrahlt würden, könnte man eine Verbesserung der Lebensqualität bewirken.

Edmund Lengfelder vom Strahlenbiologischen Institut der Universität München betont, daß ein Schnelltest zur Überprüfung der Strahlenempfindlichkeit ein schwieriges Unterfangen sei, da verschiedenste Faktoren eine Rolle spielten: " Für die individuelle Strahlenempfindlichkeit spielen Alter, Geschlecht und Lebensumstände ebenso eine Rolle wie Ernährungsgewohnheiten und Vorschäden im Erbgut."

 

Insgesamt müsse man von einer "erheblichen Unterschätzung des Strahlenrisikos und der Tschernobyl-Folgen hin" ausgehen. In Tschernobyl habe man einen Anstieg der Häufigkeit von Schilddrüsenkrebs bei Kindern um mehr als das 100fache festgestellt. Untersuchungen über Strahlenempfindlichkeit bei den Tschernobyl-Opfern gestalten sich als überaus schwierig, da viele Opfer nicht einmal namentlich erfaßt wurden und jegliche Angaben über die Strahldosis in Krankenhausakten aus Geheimhaltungsgründen vertuscht wurden.

 

Trotz dieser schlechten Voraussetzungen ist der "Komettest" - entwickelt am Institut für Arbeits- und Sozialmedizin der Universität Ulm - mit dem versucht wird besonders strahlungsgefährdete Krebspatienten frühzeitig zu entdecken." Blutzellen werden dabei in einer gelartigen Substanz eingebettet und zum Platzen gebracht. Die herausquellenden fadenförmigen Erbmöleküle beginnen dann ihre Wanderung durch ein elektrisches Feld - es entsteht das Bild eines mikroskopisch kleinen Komenten." - beschreibt Focus den von Theodor Fliedner und Ulla Plappert entwickelten "comet assay". Aus der Form des Kometen könne man sowohl Informationen über bereits vorhandene Strahlenschäden im Erbgut als auch Daten über den Umfang der "Reparaturarbeiten" in den einzelnen Zellen ersehen. Für die Analyse genüge ein einzelner Bluttropfen.

 

Zweck dieser Übung:

"Wir glauben, damit im Rahmen einer Strahlentherapie bei Krebspatienten feststellen zu können, ob die Reparatur normal verläuft", meint Fliedner. Mehr als "nur" eine verbesserte Kontrolle der Strahlentherapie erhoffe sich das das Institut für Medinische Strahlenbiologie der Universität Essen.Bei Krebspatienten versuche man z. B. die Strahlendosis zu reduzieren und durch eine begleitende Chemotherapie zu ersetzen. Langfristig aber, davon sei Strahlenexperte Bruce Bornstein vom Dana Farber Cancer Institute in Boston überzeugt, werden solche Testsysteme eine individuellere Bestrahlungstherapie ermöglichen - "wenn wir gelernt haben, die Tests korekt zu interpretieren".

 

Kommentar:

Vor dem Hintergrund der schrechklichen Ereignisse von Tschernobyl fällt es mit Sicherheit schwer, den Blick zu weiten. Nicht von der Hand zu weisen ist, daß ionische Strahlen für den Organismus stark belastend sind. Schon immer hat es Menschen gegegeben, die auf außergewöhnliche Belastungen anders reagiert haben als ihre Mitmenschen. Zu recht meint Lengfelder, daß die individuelle Strahlenempfindlichkeit multikausale Hintergründe hat. Jedoch ist Betrachtung der soziologischen Daten nicht ausreichend. Es gibt weit aus mehr Faktoren - vor allem die Psyche betreffend - die maßgeblich für die individiduelle Strahlenempfindlichkeit sind. Die persöliche Konstitution, die seelische Ausgeglichenheit, die Innenweltrealität - wie Synergetik Therapeuten den individuellen derzeitigen Seelenstand bezeichnen - bestimmen die Fähigkeit des Körpers, mit solchen Angriffen fertig zu werden.

Dennoch: für uns sind weder Strahlen- noch Chemotherapie eine Lösung für den Krebs. Wer sich in unserem Sinne selbst heilen möchte, muß den Sinn des Krebses hinterfragen und nicht verarbeitete Konflikte aufarbeiten.